Kasseler Sternwarten

Seite im Aufbau, aktualisiert: 12.10.2024

Ansicht Kassel von Osten (G.W. Weise, Kassel 1780. Aus: Kassel in alten Bildern, hrsg. v. F. Lometsch, 1966, S. 28. )

 

Die Landgrafen

Landgraf_Wilhelm_IV

Landgraf Moritz

Landgraf_Karl

Drei_Sternwarten_und_ein_Astronom

Kunsthaus-Observatorium

Zwehrenturm

Palais Bellevue

Die Fernrohre

Das 16-füßige Holzfernrohr mit 6 Auszügen von Campani

Das 100-füßige Luftfernrohr von Campani

Beobachtungen mit dem Luftfernrohr auf dem Kunsthaus-Observatorium in Kassel

Das nie gebaute Riesenteleskop

Die Replikate

Experimental-Luftfernrohr 5,5 Meter

Luftfernrohr 32 Meter Brennweite, 18 cm Öffnung

Auszugsfernrohr, 1800 mm Brennweite, 35 mm Öffnung (Prototyp des Campanischen 16 Fuß Fernrohrs)

Weiterführende Links:

Impressum



Landgraf Wilhelm IV

Kassel gehörte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zu den bedeutenden Kulturzentren des Heiligen Römischen Reiches, obwohl das den Landgrafen unterstehende Territorium Hessen-Kassel zu den kleineren Herrschaften zählte. Unter den Landgrafen bestand seit den Tagen Wilhelms IV. von Hessen-Kassel, genannt „der Weise“ (1532–1592), die besondere Tradition, sich mit empirischer Naturforschung zu beschäftigen. So hatte Wilhelm IV. eines der bedeutendsten Observatorien des 16. Jahrhunderts begründet und dort auch selbst mit astronomischen Instrumenten präzise Gestirnsmessungen vorgenommen. Der Ort, von dem aus in Kassel gemessen wurde, war ein balkonartiger Anbau an der Südwestecke des landgräflichen Reisdenzschlosses, die sogenannte aldaun oder Altane, deren Maße heute nicht mehr beaknnt sind. Das Schloss selbst war am Ufer der Fulda in den Jahren um 1560 in weiten Teilen neu gebaut worden.

"Wilhelm IV. von Hessen, einem Fürsten, auch unter den Astronomen, war die Ehre vorbehalten, die erste Sternwarte in Europa zu bauen, sie mit den vollkommensten Instrumenten zu bereichern, welche die Zeit hervorzubringen vermogte; und durch sie und eigenen, von seinem Astronomen Rothemann unterstützte Kräfte, von 1561 bis 1592 die Bewegungen am Himmel zu beobachten."  Mit diesen Worten erhob der Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Besser 1848 den hessischen Landgrafen auch in den wissenschaftlichen Adelsstand.

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Landgraf Moritz

Sein Sohn Moritz der Gelehrte (1572–1632) interessierte sich mehr für die medizinische Alchemie Er betrieb seit Ende des 16. Jahrhunderts das bedeutendste alchemistische Laboratorium seiner Zeit und führte selbst alchemistische Experimente durch. Moritz war aber auch den schönen Künsten, der Musik und dem Theater sehr zugetan und in ganz Europa für seine prachtvollen Hoffeste bekannt. 1606 wurde eines der frühesten Hoftheater in Deutschland eingeweiht und nach Moritz’ Sohn Otto „Ottoneum“ genannt. Seinen musikalischen Sachverstand bewies Moritz durch die Entdeckung und Förderung des jungen Heinrich Schütz, den er als Diskantist in seine Hofkapelle aufnahm und später im Collegium Mauritianum ausbilden ließ. Das Collegium Mauritianum war eine Ritterschule, in der junge Adlige nach den Grundlagen der mathematisch-empirischen Philosophie des Hugenotten Petrus Ramus ausgebildet wurden. Die Schule war weit über die Grenzen der Landgrafschaft hinaus eine begehrte Studieneinrichtung. Allerdings zeigte sich schon unter Moritz, dass die geringen Einkünfte, die die Landgrafschaft abwarf, in keiner Weise ausreichten, um sämtliche kulturellen und wissenschaftlichen Interessen des Landgrafen zu finanzieren. Moritz’ Herrschaft endete daher mit einem Staatsbankrott, und als Reaktion erwirkten die Landstände 1627 seine Abdankung.

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Landgraf Karl

Bis ins späte 17. Jahrhundert hinein sind keine weiteren astronomischen Aktivitäten am landgräflichen Hof in Kassel überliefert. Auch über den Ankauf oder die Benutzung von Fernrohren ist nichts bekannt. Erst unter Landgraf Karl von Hessen- Kassel (reg. 1677–1730) sollte die alte Tradition Kassels als Standort der Astronomie wiederbelebt werden. Karl sah sich explizit als Mäzen der Naturwissenschaften, was er schon 1693 in der kunstvollen Ausgestaltung des alten kupfernen Rechenglobus und dessen öffentlichkeitswirksamer Aufstellung im Stadtschloss symbolträchtig zum Ausdruck brachte. Laut Hallo hatte Landgraf Karl im Bereich des hochfürstlichen Kabinetts des Stadtschlosses auch eine Meridianlinie nebst einer Mauerlücke anbringen lassen, durch die man wohl die Kulmination der Gestirne im Süden beobachten konnte.

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Drei Sternwarten und ein Astronom

Der dezidierte Wille des Landgrafen, eine richtige Sternwarte zu begründen, wird erstmals im Februar 1702 in einem Brief des Hofbeamten Nathanael von Staff an Gottfried Wilhelm Leibniz formuliert: „Wir brauchen neben anderen geschickten Männern einen Astronomieprofessor, der in der Lage ist, seiner Hoheit Genugtuung zu verschaffen, und zwar nicht nur durch Rechnung und Theorie, sondern der auch die Fernrohre und andere Instrumente bedienen kann, derer seine Majestät sehr schöne besitzt.“ Es sollte noch fünf Jahre dauern, bis Landgraf Karl endlich eine Person fand, die ihm geeignet erschien. 1708 engagierte er Lothar Zumbach von Koesfeld (1661– 1727 in Kassel) als Professor für Mathematik und Astronomie. Zumbach hatte in Köln zunächst Medizin studiert und war dabei zum überzeugten Anhänger der Philosophie Descartes’ geworden. Seit spätestens 1684 ist er als Mathematiker und Musikus am Hof des Kurfürsten von Köln nachweisbar. Trotz dieses Amtes bemühte er sich um eine Professur für Mathematik in Leipzig. Um 1690 wechselte er an die Universität Leiden, wo er seit 1691 als Außerplanmäßiger Professor die dortige Universitätssternwarte betreute. 1707 kam er dann wahrscheinlich direkt aus Leiden nach Kassel. Wie Landgraf Karl gerade auf Zumbach kam, ist anhand der vorliegenden Quellen nicht zu klären.

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Die 4 historischen Sternwarten Kassels:

1 Palais Bellevue    2 Kunsthaus/Ottoneum    3 Zwehrenturm    4 Stadtschloß/Südaltane

 


Kunsthaus-Observatorium

Zumbach schien eine gute Wahl zu sein. In Köln und Leiden hatte er nachweislich auf höchstem NiveauZumbach schien eine gute Wahl zu sein. In Köln und Leiden hatte er nachweislich auf höchstem Niveau astronomische Beobachtungen durchgeführt. So wissen wir aus seinem Brief an den Brandenburger Astronomen Gottfried Kirch, dass er mit einem Fernrohr und einer Pendeluhr am 21.12.1684 Dauer und Ort einer totalen Mondfinsternis bestimmt hatte. Überdies hatte er als Erfinder eines Planetolabiums von sich reden gemacht. Dabei handelte es sich um ein zweidimensionales Instrument, bestehend aus unterschiedlichen Planetenscheiben, mit dessen Hilfe man die Stellungen der Planeten zueinander zeigen konnte, ohne große Berechnungen anzustellen. Das Planetolabium ist heute noch als unvollständiges Fragment in der Sammlung von HKH erhalten. Als Zumbach 1708 in Kassel ankam, waren sehr wahrscheinlich schon zwei Sternwarten vorhanden, eine auf dem Dach des Kunsthauses und eine weitere auf dem Zwehrenturm.

Zum Kunsthaus-Observatorium gehörte der große laternenartige Turm, der wohl auf allen Seiten verglast war und eine ovale Grundfläche von ca. 7 auf 6 Meter aufwies. Der kleine Turm daneben diente vermutlich als Treppenturm, über den man eine balkonartige Beobachtungsplattform erreichen konnte, die die beiden Türme umgab. Die Beobachtungen fanden sowohl im großen Turm durch die Fenster, als auch draußen auf der Altane statt. Als die Brüder Conrad Zacharias und Johann Armand von Uffenbach 1709 das Observatorium besuchten, fanden sie innerhalb des Turms „nichts, als eine alte, jedoch curiöse Art von einem Quadranten zu Wahrnehmungen an dem Himmel; darauf auch gleich gesehen werden kan, in welchem Grad die Sonne, und in welcher Höhe sie alle Augenblicke stehe, und dann wie weit sie von dem vero puncto Orientis versus ceteras plagas mundi zu allen Zeiten abgehet. Wie auch eine Englische Uhr mit einem Pendul zu Wahrnehmungen.“ Bei dem alten Quadranten dürfte es sich um den Wilhelmsquadranten gehandelt haben, der aufgrund seiner völlig veralteten Skalenteilung ohne Nonius und Transversalen jedoch bestenfalls zu Lehrbeobachtungen, nicht aber zu ernsthafter Forschung gedient haben dürfte. An seiner Ungenauigkeit änderte auch das langbrennweitige Fernrohr aus Messing nichts, mit dem der Quadrant offenkundig zum Zweck des genaueren Anvisierens von Gestirnen bestückt worden war (Abb. 11). Die englische Uhr könnte eine heute wahrscheinlich nicht mehr vorhandene Standuhr mit Sekundenpendel von Williamson in London gewesen sein. Die Tatsache, dass die Uffenbachs auf dem Kunsthaus-Observatorium keine zeitgemäßen Winkelmessinstrumente vorfanden, lässt vermuten, dass dort jedenfalls keine systematische Positionsastronomie betrieben worden ist. Bernoulli beurteilte die Sternwarte 1771 folgendermaßen: „Es ist dieser Turm, der heute wieder Observatorium ist, wenn auch ein kleines Observatorium, wohl wenig solide, sehr stark dem Wind ausgesetzt und sehr unbequem aufgrund der großen Anzahl an Treppenstufen, die man dort erklimmen muss, denn der Astronom hat seine Wohnung nicht im Gebäude.“ Offenkundig waren sich die Verantwortlichen wahrscheinlich schon vor dem Eintreffen von Zumbach in Kassel bewusst, dass das Observatorium auf dem Dach des Kunsthauses allenfalls als Beobachtungsort, nicht aber zur Verrichtung ernsthafter astronomischer Messtätigkeit dienen konnte.

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Zwehrenturm

Laut einer Bauurkunde aus dem Jahr 1707 wurde daher der Zwehrenturm, der einst ein wichtiger Bestandteil der alten Stadtbefestigung gewesen war, zum Observatorium umgerüstet und erhielt sogar eine drehbare Kuppel. In dieser Kuppel befand sich eine „kunstvolle Maschine zur sorgfältigeren Erforschung der Bewegung des Himmels und seiner Gestirne“. Es könnte sich bei diesem Instrument um einen Quadranten mit einem Radius von nahezu 9 Fuß gehandelt haben, den der Hofinstrumentenmacher Zacharias Beeling laut der Reisebeschreibung der Uffenbachs von 1709 noch nicht ganz vollendet hatte. Dieser Quadrant, der auf einem beweglichen Kugelkopf von 1 Schuh Durchmesser azimutal montiert werden sollte, konnte aufgrund der ungeheuren Größe nicht aus einem Stück Messing hergestellt werden. Das Fernrohr zum Anpeilen der Gestirne sollte laut Uffenbach „eine ziemliche Größe“ haben. Ob dieser Quadrant jemals fertig gestellt, geschweige denn benutzt wurde, ist nicht überliefert. Dasselbe gilt für die Zwehrenturm-Sternwarte insgesamt. Zumindest sind keine Beobachtungen und Messungen überliefert, die auf ihr durchgeführt wurden. Auch wird die Zwehrenturm-Sternwarte in dem sehr detailreichen Bericht der Uffenbachs nicht erwähnt, was ebenfalls darauf hindeutet, dass sie zumindest 1709 keine erwähnenswerte Rolle spielte.

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Palais Bellevue

Die dritte Sternwarte, die in der Regierungszeit Landgraf Karls gebaut wurde, befand sich auf dem Dach des Schlosses Bellevue. Im Jahr 1727 berichtete Johann Friedrich Weidler, dass Zumbach die Enge des Kunsthaus-Observatoriums bemängelt und einen Neubau angeregt habe, der schließlich 1714 fertig gestellt und aufgrund seines Standorts an der Schönen Aussicht seitdem als „Oberneustädter Observatorium“ bezeichnet wurde. Anders als das Kunsthaus-Observatorium war es erschütterungsfrei gebaut und bot eine wesentlich größere Fläche für die Aufstellung der Instrumente. Im Reisebericht des Johann Friedrich Armand von Uffenbach ebenso wie in den astronomischen Briefen Bernoullis wird aber übereinstimmend berichtet, dass noch zu Lebzeiten Landgraf Karls das Gebäude als Herberge für die Mätresse des Landgrafen zweckentfremdet worden war. Möglicherweise war es Zumbach zu aufwändig, die Fernrohre aus dem Optischen Zimmer des Kunsthauses auf das Oberneustädter Observatorium und wieder zurück bringen zu lassen. Für diese Überlegung spricht, dass auch Zumbachs Nachfolger als Hofastronom, Johann Matthias Matsko, in den frühen 1760er Jahren mehrfach Fernrohre aus dem Optischen Zimmer auf das Oberneustädter Observatorium bringen ließ, die dann kurze Zeit später wieder zurückgebracht wurden. Letztlich nahm auch Matsko seine Messungen wieder auf dem alten Kunsthaus-Observatorium vor, wie Bernoulli im Jahr 1768 vermerkte. Erst als Landgraf Friedrich II., der Enkel von Landgraf Karl, 1783 den Zwehrenturm als Observatorium ausstatten und dem neuen Museum Fridericianum räumlich angliedern ließ, wurde das Kunsthaus-Observatorium endgültig aufgegeben.

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Die Fernrohre

Die ersten Bestrebungen Landgraf Karls, Fernrohre für eine künftige Sternwarte zu beschaffen, fallen in die Mitte der 1680er Jahre. Als der französische König Ludwig XIV. mit der Aufhebung des Ediktes von Nantes die protestantischen Hugenotten aus Frankreich massenhaft zu vertreiben begann, begab sich der Landgraf zu politischen Konsultationen nach Holland, um mit Wilhelm von Oranien über Hilfe für die bedrohten Glaubensbrüder zu sprechen. Während dieser Reise traf er einige der führenden Naturforscher und Instrumentenmacher der Niederlande, unter anderem in Amsterdam auch Christiaan Huygens. In einem Brief an seinen Bruder Constantijn bemerkte Christiaan Huygens, dass Landgraf Karl viel von Fernrohren verstehe und auf der Suche nach Instrumenten sei, mit denen man „Astroscopie“ betreiben könne.Besonderes Interesse zeigte der Landgraf an einem Fernrohrobjektiv mit einer Brennweite von 140 Schuh (ca. 42 Meter). Es war in jener Zeit wohl eines der leistungsstärksten Fernrohrobjektive der Welt und konnte aufgrund seiner enormen Länge nur als Luftfernrohr verwendet werden. Christiaan zeigte auch die grundsätzliche Bereitschaft, für Landgraf Karl ein solches Fernrohr anzufertigen und hatte zu jener Zeit das dazu notwendige Rohmaterial gerade aus einer Glashütte in England bekommen. Ob es tatsächlich zu dem Geschäft kam, ist nicht überliefert. Huygens schrieb seinem Bruder lediglich, er wolle dem Agenten des Landgrafen unbedingt klar machen, wie selten und teuer solche Fernrohre seien.

Was den Erwerb von Fernrohren anging, war Landgraf Karls Italienreise von 1699/1700 ergiebiger als seine Reise nach Holland. Dem Reisetagebuch seines Reisegefährten Johann Balthasar Klaute zufolge besuchte der Landgraf während seines Romaufenthaltes den schon erwähnten Opticus Giuseppe Campani zweimal, nämlich am 5. und am 12. Februar 1700. Beim ersten Mal hatte der Landgraf laut Klaute „mehrere Perspective und Tubos Opticos“ erhandelt und eine Preisliste der Fernrohre, Mikroskope und Nachtuhren Campanis mitgebracht, die die Brennweiten der Fernrohre und die zugehörigen Preise nennt. Leider schreibt Klaute nicht, wie viele und welche Fernrohre Karl tatsächlich erworben hatte. Vom zweiten Besuch existiert eine Liste der gekauften Gegenstände, die, neben einer Camera Obscura, einem Mikroskop und wahrscheinlich einer Nachtuhr, ein Fernrohr nennt, das für den Preis von 30 Doppien angeboten wurde. Laut der Preisliste kamen dafür Fernrohre zwischen 4 und 9 Metern Brennweite in Frage.


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Das 16-füßige Holzfernrohr mit 6 Auszügen von Campani

Ein langbrennweitiges Campani-Fernrohr, das auf diese Beschreibung passt, ist heute noch in der Sammlung unversehrt vorhanden. (https://www.datenbank.museum-kassel.de/35072/0/0/0/s7/0/100/objekt.html). Es hat einen achteckigen Tubus aus Holz mit sechs Auszügen und eine Brennweite von 16 Schuh, das sind ca. 4,5 Meter. Der Durchmesser der bikonvexen Objektivlinse beträgt 50 mm. Laut Museumsunterlagen liefert es eine 50-fache Vergrößerung. Interessant ist das heute noch vorhandene Okular, das aus drei Konvex-Linsen zusammengesetzt ist, die jeweils die gleiche Brennweite haben. Bei einem einfachen Kepler-Fernrohr bestehen Objektiv und Okular aus einer plan- oder bikonvexen Linse. Campani ergänzte die einfache Okularlinse durch eine objektivseitige Feldlinse, die das Gesichtsfeld des Fernrohrs vergrößert. Dadurch kann der Betrachter einen größeren Bildausschnitt wahrnehmen als nur mit einer Okular-Linse. Um das Bild aber nicht auf dem Kopf stehend wahrnehmen zu müssen, ergänzte Campani noch eine dritte Linse, die so genannte Umkehrlinse. Der Abstand zwischen den drei Linsen beträgt jeweils das Doppelte ihrer Brennweiten. Dadurch wird die chromatische Aberration des Okulars praktisch vollständig aufgehoben, was zu einer wesentlich verbesserten Bildschärfe führt.

Katalogtext Objektdatenbank Hessen Kassel Heritage (Quelle: Internetseite HKH, Objektdatenbank):
'Im Februar 1700 kaufte Landgraf Carl von Hessen-Kassel (1654-1730) bei seinen Besuchen in der Werkstatt von Giuseppe Campani in Rom unter anderem ein Teleskop für 30 Doppien (italienische Goldmünzen). Für diesen Preis verkaufte Campani Teleskope mit Brennweiten zwischen vier und neun Metern. Dieses Teleskop passt mit einer Brennweite von ca. 4,5 m in diese Kategorie. Carl wird es als Erweiterung seiner Sammlung langbrennweitiger Teleskope erworben haben, kaufte aber auch das mit 32 Metern Brennweite deutlich längere Luftteleskop von Campani (APK F 184). Mit seinem achteckigen Holztubus ist das Teleskop sehr auffällig. Das im Inventar von 1765 unter der Nummer 234 erwähnte Stativ ist möglicherweise erst in Kassel hergestellt worden, ging aber im Zweiten Weltkrieg verloren. Das jetzige ist eine Rekonstruktion aus den Jahren 1975 bis 1993.'

 

Links: Montierter großer Refraktor auf der Süd-Altane der Sternwarte Palais Bellevue. Die Masthöhe beträgt ca. 5 m, die Länge des Fernrohrs kann unter Berücksichtigung der perspektivischen Verzerrung auf ca. 5 m geschätzt werden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit könnte es sich um das 16 füssige Campani Fernrohr handeln. Das Fernrohr ist im vorderen Teil (objektivseitig) an einem Seil befestigt, das über eine Rolle am Masten zum Beobachter führt. Mit dem Seil kann die Höhe des Fernrohrs verändert werden. Der hintere Teil des Fernrohrs (okularseitig) liegt auf einer Gabel auf, die ebenfalls höhenverstellbar ist und eine gewisse horizontale Bewegung des Tubus ermöglicht. Durch Mast und Gabel ist das Fernrohr an zwei Punkten gelagert, wobei die Konstruktion windanfällig ist. Wie das Seilende befestigt war und wie es bewegt wurde, ist aus der Abbildung nicht zu erkennen.

Bei Beobachtungen vom Zwehrenturm aus wurde das Teleskop objektivseitig in einer Aussparung der Wand aufgelegt und okularseitig vermutlich auf der verstellbaren Gabel.

Quelle: Ausschnitt Atlas Novus Coelestis von Johann Gabriel Doppelmayr (1742)

 

 

 

 

Rechts: Gabel und Auflage für große Refraktoren. Professor Lothar Zumbach von Coesfeld, der zuvor in Leiden verschiedene astronomische Instrumente und Praxis kennengelernt hatte, musste in Leiden mit einem sehr ähnlichen Gerät Bekanntschaft gemacht haben. Es ist wahrscheinlich, dass die von Uffenbach geschilderte für das 16 füssige Campani Fernrohr eingesetzt wurde. Die Gabel ist über ein Kammrad und eine Zahnstange höhenverstellbar. Zwischen den beiden Schenkeln der Gabel kann eine Holzleiste mit Stecknägeln so befestigt werden, dass unterschiedliche Steigungen möglich sind. So wird das Fernrohr beim Nachführen nicht nur horizontal, sondern gleichzeitig auch vertikal bewegt. Dies ähnelt in der Funktion einer äquatorialen Nachführung.

Quelle : Uffenbach, Zacharias Konrad von, 1683-1734: Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland Mit Kupfern. Frankfurt ; Leipzig 1753

 

Links: Zeichnung der Gabelauflage, die in Leiden verwendet wurde.

Quelle: Telescopes from Leiden Observatory and other collections 1656 – 1859. A Descriptive Catalogue. Huib J. Zuidervaart

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechts: Der 16 füssige Refraktor nach der Restaurierung

vor dem Eingang des Landesmuseums in Kassel.

Quelle: Hessisch Niedersächsische Allgemeine, Kassel


 

 

 

 

 

 

 

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Das 100-füßige Luftfernrohr von Campani

Das zweite Fernrohr von Campani hat eine noch deutlich größere Brennweite als das Fernrohr mit dem achteckigen Tubus und kommt in der Preisliste von Campani interessanterweise nicht vor. Der Objektivdurchmesser beträgt 180 mm und ist auf etwas m ehr als 110 mm abgeblendet. Vom Okular ist leider nur noch die hölzerne Fassung erhalten. Die Brennweite des Objektivs von 145 Palmi, also etwas mehr als 32 Meter, machte es unmöglich, Objektiv und Okular durch einen geschlossenen Tubus zu verbinden, weil die gesamte Konstruktion viel zu schwer geworden wäre. Daher wurde es als Luftfernrohr verwendet. Die frühe Provenienz dieses Luftfernrohrs ist geheimnisumwittert. Die Objektivlinse trägt die Herstellersignatur „Giuseppe Campani in Roma anno 1684“. Laut dem Reisebericht der Uffenbachs hatte die Académie Royale des Sciences in Paris „eben dergleichen Glas“ schon 1684 bei Campani bestellt, es allerdings aufgrund eines angeblichen Schadens wieder zu diesem zurückgeschickt. Uffenbach führt weiter aus, dass Campani aus Frankreich vor der Rücksendung die Hälfte des ursprünglichen Preises angeboten worden war. Dieser habe aber abgelehnt, wohl weil er argwöhnte, dass die reklamierte Beschädigung nur ein Vorwand sei, um ihm den vollen Preis vorzuenthalten.

In dem Bericht des schwedischen Mathematikers Apelblad zu einer ca. 1763 durchgeführten Reise findet sich eine etwas andere Auslegung der Geschichte: Apelblad schreibt, er habe in der Instrumentensammlung in Kassel, „das große Glas von 120 Fuß von Campani, womit Dominic Cassini einige Monde des Saturn entdeckt hat“, gesehen, das der König von Frankreich nach erfolgter Benutzung wieder zu Campani zurückgeschickt habe, weil es ihm zu teuer gewesen sei. Die Apelblad’sche Version deckt sich, was die Benutzung des Luftfernrohrs durch Cassini betrifft, wiederum mit einem Forschungsbericht, den Cassini 1686 im „Journal des Sçavans“ von seiner Entdeckung der Saturnmonde Thetys und Dione veröffentlicht hatte. Dort steht, Cassini habe die beiden Saturnmonde mit einem 100- und einem 136- füßigen Luftfernrohr entdeckt. Eine Brennweite von 100 Pariser Fuß entspricht wiederum 145 römischen Palmi. Offenkundig hatte also Cassini nach der Beobachtung nur das größere der beiden Luftfernrohre behalten, das kleinere aber möglicherweise aus den in beiden Quellen angesprochenen Kostengründen wieder zu Campani zurückgeschickt. Nach dem Wortlaut von Uffenbach und Apelblad spricht vieles dafür, dass der „Ladenhüter“ dann von Landgraf Karl erworben und in Kassel weiterverwendet wurde. Ein weiterer Hinweis darauf könnte die Tatsache sein, dass ein Fernrohr mit 145 Palmi sich in Campanis Preisliste von 1700 nicht mehr findet.

 

Die Linse mit 45 m Brennweite, die auf dem Marly-Turm befestigt war. Sie befindet sich heute in Paris.

Quelle: bearbeitete Auschnitte aus "Cassini, Jacques: Tables Astronomiques Du Soleil, De La Lune, Des Planetes, Des Etoiles Fixes, Et Des Satellites De Jupiter Et De Saturne

 

 

 

Die Linse mit 32 m Brennweite, die an der Brüstung des Observatoiums befestigt war.

Quelle: bearbeitete Auschnitte aus "Cassini, Jacques: Tables Astronomiques Du Soleil, De La Lune, Des Planetes, Des Etoiles Fixes, Et Des Satellites De Jupiter Et De Saturne

 

 

 

 

 

 

 


Diese Linse befindet sich heute sich heute in der Technischen Sammlung von Hessen Kassel Heritage, vormals Astronomisch-Physikalisches-Kabinett. Fotos und Beschreibung in der Objektsammlung von HKH:
https://www.datenbank.museum-kassel.de/34957/0/0/0/s4/0/100/objekt.html

 

Es ist also wahrscheinlich, dass sich eines der wenigen Fernrohre, die nachweislich als Werkzeug für epochemachende Entdeckungen eingesetzt wurden und das Bild vom Kosmos erweiterten, heute in Kassel befindet. Wie konnte bei einem Luftfernrohr das Objektiv mit dem Okular zu einer optischen Einheit verbunden werden und wie wurde damit beobachtet? In der Reisebeschreibung der Uffenbachs findet sich eine Abbildung für die Aufhängung der Objektivlinse. Die Objektivlinse g wurde in den Rahmen ee eingesetzt, der wiederum der Stabilität wegen mit dem größeren kreisförmig ausgeschnitten Brett aa verbunden war. Der Rahmen ee war mit Hilfe der zwei Schrauben c an den beiden Stangen b drehbar befestigt. Weitere Drehpunkte waren die Schrauben h und k, die das Brett i tragen. Die ganze Mimik ist in der Höhe an dem Mast z l angebracht. Um das Objektiv g auf einen Stern auszurichten, benutzte der Beobachter einen 30 Meter langen Faden, der an dem Nippel f und der Okularlinse befestigt wurde, um die Objektivlinse in die gewünschte Position zu ziehen. Die Höhenbewegung erfolgte um die Achse cc, die Azimutbewegung um h. Wollte man die Richtung der Objektivlinse komplett ändern, hatte man die gesamte Mimik um k zu drehen. War nach einem solchen Verstellvorgang der Faden so gespannt wie zuvor, konnte man davon ausgehen, dass der Abstand von Objektiv und Okular gleich geblieben war. Dies war zwingend notwendig, weil die Abbildungsleistung bei einer solchen Konstruktion nur dann vollständig gewährleistet ist, wenn die objektivseitige Brennebene des Okulars mit der okularseitigen Brennebene des Objektivs zusammenfällt. Was aus heutiger Sicht als kaum handhabbar erscheint, war laut der Aussage des Astronomen Zumbach mit etwas Übung leicht auszuführen.

 

 

Links: Luftfernrohr montiert vor der Sternwarte Palais Bellevue. Die Höhe des Mastes kann auf ca. 15 m geschätzt werden. Gut erkennbar ist die Schiene, die längs am Mast angebracht ist. Das Objektiv ist in ein viereckiges Gehäuse eingebaut, welches in der Schiene vertikal bewegt werden kann. Die Linsenhalterung ist mit einem Seil verbunden, das vom Boden über eine Rolle am oberen Mastende und wieder zum Boden zurückgeführt wird. Über die Position des Beobachters bzw. über die Art und Weise der Benutzung liefert die Zeichnung keine Anhaltspunkte. Quelle: Ausschnitt Atlas Novus Coelestis von Johann Gabriel Doppelmayr (1742).

 

 

 

 

 

Rechts: Linsenhalterung des Luftfernrohrs. Die Halterung ist über einen L-förmigen Winkel mit zwei Schrauben in der Schiene des Masts befestigt und kann somit vertikal bewegt werden. Ein horizontal bewegliches Brett verbindet Winkel und Halterung und erhöht damit die Beweglichkeit um den Mast herum. Auf dem Brett ist ein kardanisch aufgehängter Linsenhalter aus Holz befestigt. Die Aussparung kann die 18 cm messende Linse von G. Campani aufnehmen. Über der Linse ist auf dem inneren Element der kardanischen Aufhängung ein Stab angeschraubt, an dem eine Schnur befestigt wird. Dadurch kann aus einer Entfernung von 32 m die Linse horizontal und vertikal geschwenkt werden. Quelle : Uffenbach, Zacharias Konrad von, 1683-1734: Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland Mit Kupfern. Frankfurt ; Leipzig 1753

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Die beiden Fernrohre von Campani sollten während des gesamten 18. Jahrhunderts zu den am häufigsten benutzten Instrumenten auf den Kasseler Sternwarten zählen. Aber auch einige Fernrohre mit geringeren Brennweiten, die wesentlich einfacher zu bedienen waren, wurden angeschafft. Ein Papptubus von sechs Auszügen, dessen äußerster Tubus mit der Objektivlinse mit roter Seide bezogen war, wurde von den Uffenbachs als „eines der besten“ Fernrohre der Sammlung bezeichnet. Es ist auch heute noch vorhanden, wenngleich wohl schon seit 1765 sämtliche Linsen fehlen. Wer das Fernrohr hergestellt hat, ist unklar. Zwar ist das Buntpapier, mit dem die Pappauszüge bezogen sind, dasselbe wie bei anderen Campani-Fernrohren. Da man dieses Papier aber auch bei Fernrohren aus anderen Gegenden Europas findet und sogar auf zeitgenössischen Bucheinbänden, reicht der bloße Vergleich der Buntpapiere nicht für eine Zuschreibung aus. Wahrscheinlich ist das Fernrohr regelmäßig verwendet worden, da es zum Zeitpunkt der Besichtigung des Optischen Zimmers durch die Uffenbachs auf einem Stativ montiert war und nicht, wie viele andere Exemplare, in einem Schrank aufbewahrt wurde.

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Beobachtungen mit dem Luftfernrohr auf dem Kunsthaus-Observatorium in Kassel


Auch die Bewegungen der Jupitermonde wurden von Zumbach offenkundig zumindest im Jahr 1712 immer wieder beobachtet. In einem Manuskript beschreibt Zumbach, wie ihm während einer dieser Beobachtungen eine scheinbar spektakuläre Entdeckung gelang. Abends um halb zehn bediente er zusammen mit seinem Sohn Conrad und einem Engländer namens Stevens, die beide zu jener Zeit am Collegium Carolinum studierten, das oben beschriebene Luftfernrohr von Campani. Nachdem Jupiter erfolgreich angepeilt war, fiel ihnen auf, dass einer von zwei nahe beieinander stehenden Jupitermonden plötzlich so verdunkelt wurde, dass er im Okular kaum mehr zu sehen war. Zumbach deutete diese Verfinsterung als ein extrem seltenes Himmelsschauspiel: Nicht der Schatten des Jupiter habe den Mond verdunkelt, sondern der Schatten eines anderen Mondes.

 


Ein Blick in Cassinis Ephemeriden der Jupitermonde bestätigte die Beobachtung offenkundig nicht genau, was Zumbach mit der scheinbar damals bekannten Ungenauigkeit dieser Tabellen erklärte. Eine endgültige Entscheidung über die Deutung des Phänomens, so Zumbach, könne er erst nach Stellungnahmen anderer Astronomen abgeben. Wurde Zumbach tatsächlich mit dem Luftfernrohr Zeuge einer relativ seltenen und vor allem selbst mit heutigen Fernrohren nur schwer wahrnehmbaren Bedeckung eines Jupitermonds durch einen anderen, oder täuschte er sich? Eine schlüssige Beantwortung dieser Frage würde einen wertvollen Rückschluss sowohl auf die Qualität des Instruments als auch des Beobachters geben.

Tatsächlich ist es problemlos möglich, mit modernen Astronomieprogrammen wie „The Sky“ oder „Stellarium“ Zumbachs Angaben bis ins Detail zu überprüfen. Es zeigt sich, dass Zumbach am Abend des 9. August 1712 den Planeten Jupiter gegen 21.00 Uhr Mittlere Ortszeit in Kassel direkt über dem Osthorizont in einer Höhe von ca. 10° beobachtet haben muss. D
s Luftfernrohr konnte also so eingestellt werden, dass der Verbindungs-Faden zwischen Okular und Objektiv fast waagrecht zum Boden stand und damit das Objektiv nicht hoch an einem Mast angebracht werden musste. Dies erleichterte die Beobachtung enorm. Die Aussage „... in dem ich mich ahm anfang deß monaths Augusti zum öffnen deß abends mit dem 100 schuhigen Objectiv glaß deß Campani auff den Jupiter übete ...“, wird dadurch verständlich.

Offenkundig fiel die Benutzung des Fernrohrs doch sehr viel schwerer, als es Zumbach drei Jahre zuvor gegenüber den Uffenbachs zugegeben hatte. Die Stellung der Jupitermonde, wimComputerprogramm „Stellarium“ für ca. 21:45 Uhr blässterkennen, dass sie der Zeichnung Zumbachss sehr gut entspricht, was die generelle Stellung der Jupitermonde angeht. Dies lässt den erwarteten Rückschluss zu, dass Zumbach die Jupitermonde mit dem Luftfernrohr problemlos sehen konnte. Allerdings ist seine Zuordnung der beiden inneren Monde vertauscht. Der Jupiter näher stehende Mond ist Io und nicht Europa, wie Zumbach meinte.

Zumbach hat daher auch nicht die Verfinsterung von Europa durch Io gesehen, sondern ein Verschwinden des Mondes Io hinter Jupiter auf seiner Bahn um den Planeten herum. Dies ist aber kein seltenes und spektakuläres, sondern ein alltägliches Phänomen..
umbach erwog tatsächlich, ob es sich nicht um ein Verschwinden eines Mondes hinter Jupiter gehandelt haben könne, verwarf dies aber aufgrund der scheinbaren Tatsache, „daß er [Europa] doch noch weitt genug von dem Jupiter abstande, also daß er gahr nicht hinter denselben doch einmahl gehoben ist.“

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder lieferte das Luftfernrohr grundsätzlich aufgrund mangelnder Abbildungsleistung oder unzureichender Kollimierung ein so unscharfes Bild, dass es für den Beobachter schwer zu entscheiden war, ob der Mond noch neben dem Planeten stand oder schon begann, hinter ihm zu verschwinden. Oder aber Zumbachs spätere Interpretation des Phänomens deutete das, was er gesehen hatte, so um, dass es mit dem, was er gesehen haben wollte, übereinstimmte.

Für diese Version spricht auch seine vorsichtige Bemerkung, „daß die Cassinischen Tabellen (wiewohl sie ohnvollkommen seind)“ der Beobachtung „auch nicht gantz widersprechen“..ffenkundig spielte für Zumbach auch die Sensation eine wichtige Rolle, denn sein Bericht mit den sorgfältigen Zeichnungen ging wohl an den Landgrafen persönlich, der natürlich hoffte, mit Hilfe des teuer erkauften Luftfernrohrs, das einst seinem Widersacher Ludwig XIV. die Ehre von zwei neu entdeckten Saturnmonden eingebracht hatte, ebenfalls sensationelle Neuentdeckungen geliefert zu bekommen. Anhand von Zumbachs Beobachtung der Jupitermonde kann man erahnen, was Landgraf Karl von seinem Astronomen erwartete: Zu allererst sollte er Sensationen produzieren, die sowohl zur Befriedigung des Herrschers nach gelehrter Unterhaltung dienen und auch für die Herrschaftsinszenierung von Nutzen sein konnte. Die Forschung kam erst an zweiter Stelle. Genau aus diesem Grund hatte Leibniz die Astronomie sehr kritisch als eine Wissenschaft bezeichnet, die eher dem Bedürfnis der Fürsten nach „Curiositas“ diente als tatsächlich nützlich zu sein im Sinne der „Besserung der Zustände“.

Ein weiterer Zweck solcher astronomischer Beobachtungen war aber offenkundig auch die wissenschaftliche Ausbildung der Studenten. Dies kann man daran ablesen, dass Zumbach bei seinen Beobachtungen mit dem Luftfernrohr Studenten als Gehilfen dienten. Da es in jener Zeit üblich war, dass die Professoren neben den öffentlichen Lektionen auch noch vertiefende Privatlektionen veranstalteten, die die Studenten dem Professor vergüten mussten, ist es durchaus denkbar, dass es sich bei diesem Beobachtungsabend um eine solche private Lehrveranstaltung handelte.

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Das nie gebaute Riesenteleskop


1777 ließ Landgraf Friedrich II von seinem Astronomen Prof. Matsko prüfen, wie das Campani-Objektiv weiter genutzt werden könnte. Dabei schlägt Matzsko vor, eine 114 Schuh lange Röhre zu bauen und mit einer dreieckigen Montierung in Pyramidenform zu verwenden. Die drei Masten der Pyramide wären ca. 60-70 Schuh lang. Das Instrument sollte auf dem Zeugmantel aufgestellt werden. Friedrich hatte mit diesem Ort jedoch andere Pläne und ließ das Projekt fallen. Campani und Bianchini in Rom hatten ähnlich Entwürfe gemacht, deshalb kann die folgende Zeichnung als Anhaltspunkt dienen, wie die Umsetzung von Matskos Plänen ausgesehen haben könnte. Quelle: Deutsche Digitale Bibliothek










































Alle Textpassagen in kursiver Schrift sind entnommen aus:  Karsten Gaulke und Bjoern Schirmeier, Optica, optische Instrumente am Hof der Landgrafen von Hessen Kassel, 2011, Michael Imhof Verlag GmbH & Co KG

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Die Replikate

Experimental-Luftfernrohr 5,5 Meter

Der Nachbau des Kasseler Luftteleskops im verkleinerten Maßstab mit 5,5 m Brennweite und 65 mm Öffnung. Die Masthöhe beträgt 6 m. Anhand des Modells konnten wichtige Erkenntnisse über die Beobachtungstechnik und Leistungsfähigkeit des Luftteleskops gewonnen werden.

Miniatur 3D-Druck nach der Uffenbachschen Linsenhalterung




Beobachtung mit Rhombus und Stützgestell










Mondbeobachtung





Linsenhalterung: Die Gegengewichtstange (nach links im Bild) korrigiert die Richtung der optischen Achse, die infolge der außeraxialen Zugkräfte nach unten abknickt


Der Stab trägt das Okular und ist mit dem Linsenhalter über eine Schnur verbunden. Dadurch wird die Linse zum Okular ausgerichtet.






Ausschnitt des Bärenbergturms im 300mm Teleobjektiv. Im Objektiv ist ein umgekehrtes Bild bei ca. 40facher Vergrößerung sichtbar


Die Elemente des Linsenhalters


Foto durch das Luftteleskop, Primärfokus, Canon 6d DSLR


Sonnenprojektion im Primärfokus.










Das komplette Fernrohr mit Rhombus, Stützgestell, Okular, Stab, kardanischem Linsenhalter und höhenverstellbarem 6m Mast.





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Luftfernrohr 32 Meter Brennweite, 18 cm Öffnung

Der Nachbau des Kasseler Luftfernrohrs, wie es im 18. Jahrhundert in den Sternwarten eingesetzt wurde. Die Eigenschaften der Linse entsprechen denen des Originals in der Sammlung des APK. Es wird so montiert, wie es im Reisebericht der Uffenbachs beschrieben wurde.

Die Linse, frisch ausgepackt


einfache Linsenfassung, hergestellt mit 3d-Drucker


Rhombus, Stab und Gestell angepasst


 Das 65/350 mm Okular, zunächst in einem Wasserrohr DN75


Linsenfassung gedruckt und eingepasst, arretiert mit Dichtgummiring


First Light








Foto einer Richtfunkantenne auf dem Bärenbergturm. Die Antenne hat einen Durchmesser von 0,7 m in einer Entfernung von 5 km. Canon 6d mit 300 mm Tele.



Mit einem pneumatischen Teleskopmast kann die Linse bis in einer Höhe von 14 m positioniert werden, so dass die Objekte des Sonnensystems beobachtbar sind.


Teleskopmast mit Linsenhalter und Gestell. Aus Platzgründen sind 2 identische Linsen montiert, so dass sich die Brennweite des Systems auf 16 m halbiert. Original hat die Linse eine Brennweite von 32 m, so dass sich die Entfernung zwischen Gestellt und Mast auf dem Foto verdoppelt.


Die Linse kann stufenlos per Druckluft auf bis zu 14 m Höhe angehoben werden.


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Auszugsfernrohr, 1800 mm Brennweite, 35 mm Öffnung (Prototyp des Campanischen 16 Fuß Fernrohrs)

Das verkleinerte Modell des Auszugsfernrohr mit 3 Auszügen in Holzbauweise. Statt des achteckigen Tubus wird ein runder Tubus verwendet.
Die Montierung entspricht der ursprünglichen Art und Weise, wie es auf dem Stich von Doppelmayr gezeichnet wurde. Später wurde das Fernrohr auf dem Zwehrenturm mit einem anderen Stativ verwendet.

Montierung nach Hevelius





Einzelteile des Refraktors: Objektiv, 3 Auszüge und Okular


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Weiterführende Links:


Emmart - Sternwarte Nürnberg

Astronomisches Forum CloudyNights

Über langebrennweiige Refraktoren, Ovidiu Catalin Rumänien

Französisches Astro-Forum Astrosurf über das Luftteleskop in Triel bei Paris

Nachbau eines Hevelius Teleskops von Dr. Alan Binder, Arizona

Alexander Pietrow zu historischen Teleskopen

Nachbau eines  Hygens Luftteleskops

Schulprojekt Luftteleskop der Mito Secundary Highschool

Haruo Tanaka mit selbstgebauten Teleskopen und Luftteleskopen
   
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